Die Bedeutung von Stakeholder-Interessen für den Aufsichtsrat - von Daniela Mattheus, Dr. Sandra Reich und Ingo Speich
„Nachhaltigkeit“ ist mittlerweile kein Neuland mehr für Aufsichtsräte. Aufsichtsräte sind dabei, sich mit konkreten Nachhaltigkeitsfragen im notwendigen Detaillierungsgrad auseinanderzusetzen. Hierfür sind auch Kenntnisse über und die Berücksichtigung von Stakeholder-Interessen wesentlich. Denn Unternehmen sind zunehmend mit einer veränderten Anspruchsgrundlage von Stakeholdern konfrontiert, die aufgrund ihrer (potenziellen) finanziellen Auswirkungen einer umfassenden Beschäftigung bedarf. Stakeholder-Interessen werden derzeit im Aufsichtsrat oft sehr nachgelagert betrachtet. Dies zu ändern, will der Beitrag einen Anstoß geben.
Impulse für den Aufsichtsrat
Mit der Nachhaltigkeitsregulatorik und der Bewertung der finanziellen Auswirkungen von ESG-bezogenen Chancen und Risiken stehen Unternehmen erst am Anfang einer ganzheitlichen Umsetzung. Allein die Überwachung der fristgerechten und umfassenden Erfüllung der Transparenz- und Reporting-Anforderungen erfordert zusätzliche zeitliche wie fachliche Ressourcen.
Stakeholder-Interessen sind für Unternehmen besonders relevant, wenn Nachhaltigkeit wertgenerierend umgesetzt werden kann. Sobald nachhaltige Aktivitäten gut für die Umwelt, die Menschen und den wirtschaftlichen Erfolg sind, ist ein großer Schritt für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens erreicht. Bis dahin zahlt sich Nachhaltigkeit für das Unternehmen dennoch entweder durch höhere Erträge oder durch niedrigere Risiken aus und stärkt somit die Resilienz.
Der Aufsichtsrat kann und sollte die Wertstiftung durch die Berücksichtigung von Stakeholder-Interessen unterstützen und in seine Überwachungs- und Beratungstätigkeit integrieren. Regelmäßig wird unter Aufsichtsräten und Nachhaltigkeitsexperten im Facharbeitskreis „Sustainability“ der Financial Experts Association (FEA) über die optimale Verbindung zwischen den Interessen von Stakeholdern und Shareholdern diskutiert. Daraus ergeben sich u.a. Impulse, die für die Arbeit im Aufsichtsrat genutzt werden können. Für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit und der Stakeholder-Perspektive in der Aufsichtsratsarbeit könnten fünf Elemente relevant sein:
ESG-Wissen: Aufsichtsräte bauen Nachhaltigkeitsexpertise mindestens entlang regulatorischer Veränderungen und der Erwartungen wesentlicher Stakeholder-Gruppen auf. Es bedarf allerdings aufgrund der dynamischen Entwicklungen einer kontinuierlichen Fortentwicklung des Wissensstands.
Dialog intern: Für die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit ist eine umfängliche Dialogkultur förderlich. Gerade weil sich bei Unternehmensentscheidungen die finanziell nachhaltige Dimension teilweise erst nach vielen Jahren zeigt, ist der ergebnisoffene Dialog innerhalb des Gremiums zu intensivieren.
Dialog extern: Der Aufsichtsrat kann den Vorstand bestärken, (neue) Dialogformate mit relevanten Stakeholder-Gruppen bzw. einen Stakeholder-Beirat zu etablieren. Das Gesamtgremium sollte in den ordentlichen Sitzungen über wesentliche Ergebnisse der Dialoge informiert werden. Denkbar wäre es auch, dass im Sinne eines effizienten Austauschs beispielsweise Aufsichtsratsmitglieder an solchen Dialogen teilnehmen.
Expertise extern: Nicht nur der Vorstand betritt vor dem Hintergrund einer komplexen und kurzfristig umzusetzenden Nachhaltigkeitsregulatorik neues Terrain. Ebenso treffen den Aufsichtsrat direkt neue Anforderungen. In bestimmten Fällen könnten externe Nachhaltigkeitsexperten eingebunden werden. Im Vordergrund stehen dann klar definierte Fragestellungen, die den Aufsichtsrat bei der Überwachung unterstützen.
Flexibilität zulassen: Eine dynamische Entwicklung in der Nachhaltigkeitsregulatorik wie auch bei Stakeholder-Ansprüchen erfordert ebenso eine Variabilität in der ESG-Verortung und in der Auseinandersetzung im Aufsichtsrat.
Grundsätzlich bietet die Integration von Nachhaltigkeit in die Aufsichtsratsarbeit die Chance, eingefahrene Informationswege zu verlassen und neu zu gestalten. Insbesondere im Hinblick auf exogene Faktoren wie den Klimawandel und die daraus resultierende Veränderungsnotwendigkeit von Geschäftsmodellen, die weiter voranschreitende Regulatorik und die gesteigerten Ansprüche von Stakeholdern wird die Bedeutung von Nachhaltigkeit für Aufsichtsräte deutlich zunehmen.
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